Im Reiche des Mescal

Ein kosmisches Märchen

Von Georg Schäfer
Erzähler Richard Münch
Remix und Neuvertonung vom Hanffest DJ Elbe

Ein „Märchen für Erwachsene“. „Der Text lehnt sich an alte indigene Symbolgestalten an und erzählt von einem Jungen, der . ‚hinter die Dinge sehen‘ möchte. Ein Zaubertrank des indianischen Medizinmannes schickt ihn auf eine wundersame Reise, dorthin, wo ‚die Zunge keine Worte mehr formt‘, in die Tiefen seines eigenen Ich.

 

 

In der Tat fällt das Märchen für Erwachsene »Im Reiche des Mescal« von Georg Schäfer aus dem Rahmen gewohnter Vorstellungen heraus. Der Text lehnt sich an alte indigene Symbolgestalten an und erzählt von einem Jungen, der fragend und zweifelnd »hinter die Dinge sehen« möchte. Ein Zaubertrank des indianischen Medizinmannes schickt ihn auf eine wundersame Reise, dorthin, wo »die Zunge keine Worte mehr formt«, in die Tiefen seines eigenen Ich wie zu den lichten Höhen des bloßen Staunens vor der kristallenen Klarheit des Absoluten. Hinter der Nomenklatur >Zaubertrank<, >Reise<, >Tiefen des eigenen Ich< aber steckt mehr als die schlichte Legende einer indigenen Welt.

Das Buch ist gleichzeitig der Bericht einer »Reise«, die heute auch bei uns in der breiteren Uffentlichkeit Reaktionen der Neugier, der Begeisterung wie der heftigen Kritik auslöst: die »Reise« per Droge, über die Aldous Huxley in seinem Buch »Die Pforten der Wahrnehmung« schrieb, daß es nie wieder ganz derselbe Mensch sei, der durch die Tür in der Mauer hinausgehe und dann zurückkomme.

Die Schlagzeilen über die Wiederentdeckung alter Kultdrogen, wie Mescalin, Nanäcatl, ein Pilz, der farbige Träume mit unwahrscheinlichen Skalen erzeugt, bis hin zu den Berichten über das synthetische Mutterkorn, allgemein unter dem Namen LSD bekannt, erregen immer wieder das Interesse der Öffentlichkeit. Begeisterte Zustimmung auf der einen, warnende Finger auf der anderen Seite, die mit dem Bannwort Rauschgift ihr kategorisches Urteil fällt. Nicht zu Unrecht, denn die Gefahr droht, daß uralte Kultdrogen, von den Zauberpriestern der Clans als Mysteriengeheimnisse streng gehütet, in unserer völlig anderen Umwelt zu einem bloßen Konsumprodukt entwürdigt werden. Ganz abgesehen davon, daß »Reisen« ohne Kontrolle physio- und psychologisch Risiken in sich bergen. Das Verlangen des Menschen aller Erdteile, dem Alltag mit seinen vielfältigen kleinen und großen Ansprüchen zu entfliehen, ist uralt.

Das Opium Ostasiens oder das Haschisch des Orients haben im Grunde keine andere Funktion als der vergleichsweise »ordinäre« Alkohol oder die vom Reiz des Exotischen umgebene Droge für das Bewußtsein des Weißen Mannes. Zaubertränke, der indische Somatrank oder indianische Kultgifte etwa, sind von anderem »Stoff«. Sie sind Mittel eines kochentwickelten Kultus, dem das billige, vordergründige Wort »Rausch« fremd ist. Zaubertränke, in besonderem Maße das Mescalin, sind für indianische Gesellschaften Mittel zur heilsamen Wandlung; sie erweitern das Bewußtsein, sie öffnen die verschlossenen Pforten seines Selbst, sie ermöglichen es, den Reichtum der Seele zu mehren.

Die Autoren des hier vorliegenden Märchens, Georg Schäfer und seine Frau Nan Cuz, die als Künstlerin die eindrucksvollen Bilder schuf, unternahmen bereits in den ersten Nachkriegsjahren einige Selbstversuche mit synthetischem Mescalin. In einer wissenschaftlichen Abhandlung über das »Zeit-Raum-Problem als experimentelle Untersuchungsfrage« fanden die Versuche ihren Niederschlag und führten zu einer Korrespondenz mit Albert Einstein.

Fernab des Großstadtlärms, in einer Hütte mitten im Wald — ein Platz, wie ihn der Somatrinker wählt oder die Geheimbünde der Peyotl-Esser —, unternahmen sie die »Reise«, die zu jenen Höhepunkten führte, die keiner Wiederholung bedurften: nicht aus Angst, sondern aus Scheu. Längst verblaßte Erinnerungen tauchten auf: so etwa, als entdeckten sie eine Welt, die zutiefst vertraut und doch eine vergessene Heimstätte ist, ein Vaterhaus für alle.

Ob Quetzalcouatl, der friedliche Gott des alten Mexiko, oder der Soma trinkende Herrscher der vier Himmelswelten Indra, ob die Hinduheiligen in ihrer Glückseligkeit, die weisen Lehrer des Zen, oder Meister Eckchart in seinem Schweigen in Gott, sie alle vereinten sich in der wortlosen Stille. Dogmen, Vorurteile, selbst die Frage nach der Wahrheit lösten sich auf, »weil die Zunge keine Worte mehr formt«.

Das Exerzitium des jungen »Helden« Schwarzhaar, der nach dem Göttertrank die wundersame Reise erlebt, unterscheidet sich von anderen »Reise«-Berichten dadurch, daß der Leser guten Willens diese Reise ohne Droge in sich selbst nachvollziehen kann.